Wir entdecken St. Vincent und die Grenadinen, schwimmen mit Stachelrochen, werden fast von einem Boot gerammt und erleben die schönsten zwei Wochen der gesamten Reise!
Einsame Buchten in St. Vincent
Nach einer etwa 8 stündigen Überfahrt mit stabilem Halbwind erreichen wir St. Vincent.
Die erste Bucht heisst Chateaubelair. Wir sind noch eine Meile davon entfernt, da überholt uns ein Katamaran. Vier wild winkende Arme und ein kleiner, bellender Hund erregen unsere Aufmerksamkeit - das sind ja Mimi und Romain mit June, welchen wir erst am Abend vorher in St. Lucia tschüss gesagt hatten!! :-)
Die beiden haben kurzerhand entschlossen, doch hier zu stoppen, um noch einen gemeinsamen Abend mit uns verbringen zu können. Wir fühlen uns geehrt und bald schon sitzen wir zu 6. (inklusive Hund) bei uns im Cockpit. Was für ein schöner Abend!
Gleich am nächsten Tag wird einklariert. Ich mache mich mit allen Bootspapieren auf den Weg, durch verwinkelte Strassen und heruntergekommene Häuser, Desi und Luca suchen derweilen die Wäscherei. Leider vergebens.
Ich folge inzwischen handgemalten Pfeilen und stehe schliesslich vor einem Kellereingang. Etwas skeptisch rufe ich ein 'hello' rein. Tatsächlich kommt eine Antwort und 30min später sind alle Formalitäten erledigt, Ausflugstipps verteilt worden und mir wurde sogar ein Arbeitsangebot als Lehrerin unterbreitet. So witzig!
Am späteren Nachmittag machen wir uns auf dem Weg zu einem Wasserfall. Nach einer schweisstreibenden halben Stunde stehen wir am Eingang des Nationalparks. Wir bezahlen den Eintritt und sind fast alleine. Einzig ein 'Gärtner' befreit einer der 'natural pools' von altem Laub. Er meint plötzlich zu uns: "Geht nicht zum oberen Wasserfall!" Wir sind erstaunt. Ist der denn geschlossen? Laut Dame am Eingang eigentlich nicht. Mit wild rollenden Augen warnt uns der Gärtner nochmals, jedoch ohne konkreten Grund.
Wir entscheiden uns, einfach weiterzugehen, bis uns etwas verdächtig vorkommt. Die Landschaft ist wunderschön, Dschungelpflanzen überall und nichts Verdächtiges in Sicht. Am oberen Wasserfall angekommen, gucken sich zwei junge Typen in der hintersten Ecke etwas im Wasser an. Ist da das Verdächtige drin? Schlangen, Piranhas oder sonst was gefährliches?
Als wir nachfragen, müssen wir lachen! Es sind nur kleine Shrimps.
Wir baden, entspannen und geniessen die wunderschöne Natur!
Albtraum in Cumberland Bay
Der Ankerplatz Cumberland Bay ist eine karibische Idylle. Drei Häuschen an einem weissen Sandstrand mit Palmen, umgeben von grünen Hügeln und Leuten, die einfach am Strand sitzen, Zeit haben und mit uns plaudern wollen.
Einzigartig in der Karibik ist aber, wie man das Boot festmacht. Der Anker wird nach vorne geschmissen und mit einer Leine befestigt man das Heck (hinteren Teil des Schiffs) an einer Palme am Strand. So kann das Boot nicht schwingen und es hat mehr 'Parkplätze' frei.
Da die Hochsaison schon vorbei ist, sind wir bis am späteren Nachmittag die Einzigen in der Bucht. Dann macht ein französisches Charterboot direkt neben uns fest. Wir sind ein paar Stunden vorher das Manöver auch zum 1. Mal gefahren, aber die Franzosen haben einige fragwürdige Manöver vorgeführt. Alle atmen auf, als sie endlich festgebunden sind.
Wir suchen den Strand nach schönen Muscheln ab, durchqueren zu Fuss einen Fluss, plaudern mit einem Kreolen, der früher in Europa gelebt hatte und gehen bei Sonnenuntergang zurück zu Ti Moun.
Täuschen wir uns, oder ist das Boot der Franzosen näher gerückt?
Von ihnen ist nichts zu sehen, sie sind wohl im einzigen Restaurant eingekehrt. Mit Stirnlampen und Fendern (luftgefüllte Kissen) bewaffnet beobachten wir, wie sich das Nachbarsboot stetig nähert. Wir überprüfen natürlich auch unsere Leine und unseren Anker, doch beide Leinen sind straff gespannt und im selben Winkel wie schon den ganzen Tag.
Da hören wir ein sich näherndes Dinghy. Die Franzosen kommen zurück! Wir stehen alle drei mit Stirnlampen und Fendern auf der Seite, auf welcher ihr Boot gerade noch knappe 2m entfernt ist. Sie steigen zurück auf ihr Boot, nehmen keine Notiz von uns oder der Lage und verschwinden ins Innere. Ehm hallo?!
Durch Rufen machen wir sie auf unsere beinahe schon Kollision aufmerksam - ein knapper Meter trennt uns noch! Sie glauben aber nicht, dass sich ihr Schiff bewegt. Zwei sprechen gar kein Englisch, nur der Kapitän ein bisschen. Ihm machen wir klar, dass wir sehr bald zusammenstossen werden, wenn sie nicht reagieren, denn ihr Boot hat den Halt verloren und treibt frei!
Wie viel Ankerkette er denn draussen habe, ist unsere erste Frage. Keine Ahnung, der Zähler habe aufgehört zu funktionieren. Naja, ungefähr tut es auch. Doch er hat absolut keine Ahnung. Er holt vielleicht einen Meter Kette hoch, da geht es ganz schnell. Unsere Boote knallen aufeinander, nur unsere Fender sind dazwischen und verhindern das Schlimmste. Wir drücken ihr Boot immer wieder weg, doch der Wind treibt es schnell zurück.
Sie hatten den Anker nur ganz knapp auf dem Boden liegen, so wenig Kette hat der Kapitän gegeben! Im Vergleich, wir gaben 40m.
Nun sind sie mit der Heckleine nach hinten fixiert, können dadurch nicht wegfahren, sind aber vorne frei und werden von Wind und Strömung unkontrolliert umhergetrieben! Ein Horrorszenario!
Mamma mia, warum lassen sie denn nicht ihr Dinghy ins Wasser, um die Heckleine an Land zu lösen? So könnten sie davonfahren und das ganze Manöver nochmals versuchen. Doch die Frau schimpft nur und raucht eine Zigarette, die beiden Männer stehen hilflos herum.
Wir lassen schlussendlich unser Dinghy ins Wasser, um sie von ihrer misslichen Situation zu befreien und versuchen ihnen zu erklären, wo und wie sie den Anker setzen und rückwärts steuern sollen. Wir versuchen mit den Heckleinen zu assistieren, etc. Doch die Nerven des Kapitäns sind durch. Das Manöver misslingt und sie geben auf.
Endlich fahren sie weiter raus, um ohne Heckleine zu ankern. Wir waren unterdessen ca. 2h am Helfen, Beraten und Wegdrücken. Und auf die Frage, ob sie unsere Hilfe noch weiter benötigen, kriegen wir ein knappes 'non'. Kein Danke, nichts. Gärngscheh!
Toller Tauchgang in Bequia
Bequia ist die grösste Insel der Grenadinen.
Die Bucht ist voller Segelboote, das Wasser glasklar und wir voller Vorfreude auf unseren Tauchgang, der bei 'divebequia' gebucht ist.
Ein sehr sympathischer Finne und seine Frau führen den Shop. Wir fühlen uns sofort willkommen, denn sie sind kompetent und gehen total auf unsere Wünsche ein. So werden wir, wenn die Strömung passt, zwei Wracks und ein Riff in nur einem einzigen Tauchgang entdecken können!
Ins kühle blaue Nass abgetaucht, sind wir ab Minute eins hin- und weg!
Das Wrack der Stratmann, ein Schlepper aus dem Jahre 1955, liegt auf ca. 20m Tiefe und ist unglaublich anzuschauen! Dicht bewachsen von Schwämmen und Korallen, umgeben von unzähligen Fischschwärmen tauchen wir sogar unter dem Bug durch. Einmalig!
Weiter geht es zum Wrack eines Segelschiffs, ungefähr gleich gross wie unsere Ti Moun. Wir sehen das grosse Leck, den abgebrochenen Mast und hoffen fest, dass uns nie das gleiche Schicksal treffen wird.
Den Abschluss am 'devils table' machen schwarzweiss gefleckte Muränen, rote Eichhörnchenfische und glubschäugige Porcupines. Wieder einmal sind wir froh, den Tauchschein gemacht zu haben!
Übrigens werden Wettschulden immer eingelöst!
So 'mussten' auch wir mit einem kühlen Bier am späteren Nachmittag nochmals zum Divecenter. Denn Kalle, der Finne, meinte vor dem Tauchgang, wer länger als eine Stunde Luft hat, schulde ihm ein Bier.
Wir sind erst nach 1h 20min aufgetaucht, daher brachten wir sogar zwei Biere mit! ;-)
Fisch vs. Luca & Desi
Mayreau ist die kleinste, bewohnte Insel der Grenadinen. Sie liegt nur knapp 1,5 Seemeilen neben den Tobago Cays, unserem eigentlichen Ziel.
Auf der Überfahrt schwimmt wie immer unser Köder hinter uns her. Plötzlich ein Ruck und das Surren der Leine! Diesmal klingt es anders, als die tausend Male voller Sargassum (Seegras) - ist es wirklich ein Fisch?
Luca versucht, den Fisch durch Kurbeln einzuholen, doch vergeblich. Es hat so viel Zug auf der Leine, dass die Trommel immer wieder durchrauscht. Ich steuere das Boot auf einen Downwind-Kurs, so sind die Wellen und die Strömung wenigstens mit uns und wir krängen weniger. Als Desi dann noch tatkräftig mit blossen Händen hilft, die Angelschnur einzuziehen, kommt der Köder näher und näher.
Es ist tatsächlich ein Fisch, ein riesiger Tuna hängt dran!
Desi und Luca haben es schon fast geschafft, der Fisch hängt nur noch eine Handbreit über der Wasseroberfläche. Ich stelle den Autopiloten ein und will mit der Einkaufstasche den Fisch von unten 'einpacken'. Doch ich komme mit der Tüte nicht genügend weit runter, bzw. die beiden haben grosse Mühe, den Fisch noch weiter hochzuziehen. Und plötzlich macht es Schwupps, und der Fisch ist mitsamt dem Köder weg! Neeeeein!
Überfahrt zu den Tobago Cays
In Mayreau sind wir gefühlt das erste Mal wirklich in der Karibik angekommen. Desi freute sich schon seit Wochen auf die schräge Palme, die über den Sand ragt und die weissen Strände. Logisch klickt die Kamera wie wild!
Zurück auf Ti Moun, ankert ein Katamaran extrem nahe vor uns. Mit der Erinnerung an die Beinahekollision vor ein paar Tagen fragen wir freundlich, ob der Kapitän sich denn sicher sei, dass der Abstand genüge.
Brian, aus St. Vincent und seit mehr als 10 Jahren jede zweite Woche in dieser Bucht, nimmt unsere Sorge ernst und beschreibt genau, warum das kein Problem sein sollte. Er ist Segellehrer und gibt gerade einen Kurs. Wir sind beruhigt und schlafen wie Babies.
Die Tobago Cays sind das Herz der Grenadinen. Das extrem klare Wasser, die unbewohnten Inseln mit Palmen und vielleicht auch Romeo's berühmtes Barbecue machen den Ort magisch.
Wir wollen sehr gerne hin, doch die Gezeitenströmung, welche Boote regelmässig auf Untiefen treibt, ist nicht ohne. So manche Reise endete hier, dementsprechend nervös starten wir am nächsten Tag auf die Minute pünktlich. Genau zwischen Ebbe und Flut hebt sich die Strömung auf und wir passieren den Channel ohne Probleme. Puuh!
Wir Schnorcheln stundenlang neben Schildkröten und Stachelrochen, geniessen das Barbecue und erleben einen lustigen Abend auf Brians Katamaran. Die Kopfschmerzen am nächsten Tag vertreiben wir mit einem Sprung ins kühle Nass! ;-)
Unterwasserskulpturen und Sandy Island
Vor Carriacou liegt die Insel Jack o'Dan. Nachdem wir einen kleinen Sturm abgewartet hatten, gelang die Überfahrt problemlos.
Die Felseninsel selbst ist wenig spektakulär, jedoch macht der Skulpturenpark namens 'A World Adrift' alles wett. Wir tauchen ab und sind kurz etwas überwältigt.
Die lebensechten Unterwassermenschen sind nämlich ziemlich gruselig. Sie wirken wie ein Mahnmal, das Meer nie zu unterschätzen. Die Jahreszahlen auf dem einen Segel thematisieren die Hurricans, welche immer wieder viel Zerstörung bringen. Beryl letztes Jahr war eine Katastrophe. Er war ein statistischer Ausreisser, viel zu früh dran und auch stärker. Es gab so viele Todesopfer, wie schon lange nicht mehr.
Die Skulpturen wollen aber auch Hoffnung machen. Es sind nämlich die Gesichter lokaler Studenten, welche den Meeresschutz als wichtig erachten und sich für nachhaltigen Tourismus stark machen. Wir sind fasziniert und tauchen immer wieder ab, um in diese Gesichter zu blicken!
Sandy Island ist wiederum ein karibischer Traum. Weisser Sand, Palmen und keine Menschenseele weit und breit!
Wir wollen ein Picknick machen. Der Apéro dafür ist schnell bereit gemacht, ins Dinghy geladen und rüber verfrachtet. Zuerst gehen wir die Insel einmal auf und ab, schiessen die obligaten Palmenfotos und als die Sonne langsam untergeht, lassen wir uns auf den Decken nieder.
Zusammen mit etwa 1'000 Sandflöhen.
Aaaargh!!
Diese Dinger sind unglaublich lästig und die Bisse jucken tagelang. Schnell schmeissen wir alles zurück ins Dinghy und trinken das Bier im Wasser fertig. Naja, der Ausflug endete etwas früher als erwartet, aber der Sonnenuntergang ist auf Ti Moun auch sehr schön.
Endlich!
Auf der letzten Überfahrt mit Desirée wird das bisher Unmögliche wahr!
Zwischen Carriacou und Grenada fangen wir tatsächlich einen Tuna. Nach mehr als 4 Monaten, circa 8 verlorenen Ködern und zwei durchgebissenen Angelschnüren ziehen Luca und Desi das Tier raus. Das Ausnehmen und Filetieren übernehme ich, bis es darum geht, die Haut abzuziehen. Da war dann Luca an der Reihe.
Das Sushi am Abend ist unglaublich - frischer geht gar nicht! Wir schmatzen, was das Zeug hält.
Wir verschenken ein Filet an das Nachbarboot und haben immer noch genug, um am nächsten Abend Tuna-Burger zu brutzeln. Lecker!
Grenada - die Endstation der Antillen
Nach 609 Seemeilen und 5 Monaten auf Ti Moun sind wir nun am südlichsten Zipfel der Antillen angekommen.
Hier endet das erste Kapitel.
Wir sind unglaublich dankbar für die Menschen, die unseren ersten Reiseabschnitt mit Ti Moun unvergesslich oder überhaupt erst möglich gemacht haben. Michel in le Marin, Lorenzo und Tanja auf Talata, Emilie und Clement, Luca und Corina, Desi und Rapha - ihr seid grossartig!
Genau so wichtig ist die Unterstützung von Zuhause. In Krisensituationen, sei es psychisch oder technisch, konnten wir uns auf unsere Familien verlassen. Egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit wir anriefen, sie sind immer für uns da! Merci vell vell mol, ohni üch wäred mer scho längstens Dehei! ;-)
Und wenn Luca und ich einander auf den Geist gehen, wir wieder einmal mit jemand anderem sprechen wollen, sind unsere Freunde auch stets erreichbar und stehen mit Rat und Tat zur Seite. Ehr send mega ond mer freued üs emmer ab Föteli vo dehei!
Wie weiter?
Nun stecken wir mitten in 2-3 Wochen voller Bootsarbeiten in Grenada, die für unsere weitere Route wichtig sein werden.
Denn die nächste Etappe geht endlich Übersee! Eine erste längere Passage mit Nachtfahrten bringt uns nach Los Roques, einem abgelegenen Atoll weit vor der Küste Venezuelas.
Von da wollen wir entlang der ABC Inseln (evtl. weiter nach Kolumbien) bis Panama segeln. Dies ist erst einmal der grobe Plan, denn meist kommt es eh anders, als man denkt. Wir freuen uns jedoch enorm und sind voller Vorfreude!
Nicht zuletzt wollen wir auch dir danken!
Es ist schön zu wissen, dass unsere Familien, Freunde, Reisebekanntschaften, Arbeitskolleg*innen, Fussballgspändli, Ex-WG-Mitbewohner*innen, ehemalige Schüler*innen plus Eltern, Kindheitsfreunde, Ausgangs-Buddies, Musikgspändlis, Segellehrer, etc. mit uns mitfiebern und sich für unsere Reise interessieren.
Die Kommentare und/ oder E-Mails sind jedes Mal ein Aufsteller. :-)
Bis zum nächsten Mal, mach's guet!
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Kommentare
Einfach nur toll, spannend, berührend. Ich lese eure Geschichten sehr gerne und freu mich über die Fotis. Vivi du bist top in shape und bildhübsch. Das Reisen tut dir gut. Ihr alle schaut glücklich aus und die Abenteuerlust blitzt aus euren Augen.
Weiter so... Freu mich auf die nächste story